Cultural Hacking und Urban Hacking

Flashmob vor dem Wolfsburger Rathaus: Ein Signalton erklingt- und dann minutenlange Stille. Die knapp 160 Schüler*innen des 8. Jahrgangs verharren in ihrer Bewegung und bilden mit ihren Positionen in dieser Momentaufnahme ein Gesamtkunstwerk in der Stadt. Nach 3 Minuten, in denen die Zeit still zu stehen scheint, in denen ahnungslose Fußgänger ratlos an den schweigenden und eingefrorenen Schülergruppen vorbeiziehen, löst sich alles wieder auf, so als wäre nichts gewesen.

Ein Erlebnis der besonderen Art war dies am 16.02. und gleichzeitig Abschluss der Projekttage, die in Kooperation mit den Kreativwerkstätten im M2K und der Performancekünstlerin Ilka Theurich im Januar und Februar stattfanden. Unter den Fragestellungen „Wie nehmen wir den öffentlichen Raum wahr? Wie nehmen wir UNS im öffentlichen Raum wahr?“ erforschten die Schüler*innen in den Projekttagen zuerst aus ungewohnten Perspektiven den Raum, der sie umgibt (ihre Stadt) und danach sich selbst.

Mittels unterschiedlicher Aufgabenstellungen wurden sie ermutigt, das Bekannte genau zu betrachten, über Veränderungen nachzudenken und es neu umzugestalten. Im städtischen Raum einen Perspektivwechsel vorzunehmen und Aufmerksamkeit zu erzeugen, indem Dinge umgestaltet werden, ohne sie zu zerstören und ohne sie in ihrer Funktion zu beeinträchtigen- das ist das Prinzip des urban hackings.

Die Schüler*innen bauten also nach ausführlicher Betrachtung und Planung Modelle, die Objekte aus der Stadt in veränderter Form darstellten: Ein Gullideckel wurde zum Rippenbogen eines Skeletts, eine Bushaltestelle zum Wohlfühlort, ein Brunnen zum Symbol des Klimawandels. Durch die Veränderungen entstanden auch versteckte Forderungen: nach mehr Witz und Spaß im städtischen Umfeld, nach einer gesünderen Welt. Noch deutlicher wurde die Auseinandersetzung mit persönlichen und allgemeingültigen Themen bei der Fragestellung „WoFÜR stehst du eigentlich?“ Wogegen man ist- das weiß man bekanntlich schnell. Aber wofür man wirklich einsteht, mit allem was dazugehört, das ist nicht schnell zu beantworten.

Doch diese Auseinandersetzung braucht es, um kulturellen, politischen, sozialen Veränderungen auf die Spur zu kommen. So ging es in diesem Projekt also auch darum, den Schüler*innen Demokratie näher zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, als mündige Bürger*innen kreative Ideen zu entwickeln. Sie beschrifteten nicht nur Plakate mit ihren Statements, sondern verteidigten diese auch und nahmen engagiert an dem anfangs erwähnten Flashmob teil, einer Form des cultural hackings, bei der es darum geht, aus der Ordnung auszubrechen und für Verwirrung zu sorgen, um Menschen zum Nachdenken anzuregen. Dies ist gelungen!

Wir danken der Künstlerin Ilka Theurich für ihre engagierte und überzeugende Vermittlung dieser Kunstrichtungen und Carolin Heidloff, Projektkoordinatorin der Kreativwerkstätten, für die Gesamtorganisation und ausgesprochen umfangreich gestaltete Ausstellung der Projektergebnisse im Wolfsburger Rathaus!

Text: Corinna Wackernagel- Rauhaus